Ökotypen - Definition nach Friedrich Ruttner

  • Ökotypen - Definition nach Friedrich Ruttner 2003


    In dem Buch: "Naturgeschichte der Honigbienen" von Friedrich Ruttner, bin ich besonders auf das Kapitel 6 (Taxonomie der Honigbienen: Geschichte und Methoden) aufmerksam geworden. In dem Kapitel wird unter anderem der Beginn und die Entwicklung der morphometrischen Taxonomie erläutert und warum mittlerweile 36 Körpermerkmale in der "Standardmorphometrie" verwendet werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Klassifizierung der Unterarten (im Sprachgebrauch der Bienenkunde, geographische Rasse) eingegangen und es werden auch die Ökotypen erwähnt:


    Aus rechtlichen Gründen, kann ich leider nicht den ganzen Abschnitt zitieren, aber ich werde ein paar wichtige Auszüge ableiten:


    Bei den Messungen der 36 Merkmale der Standardmorphometrie sind häufig Überlappungen zu finden, was völlig natürlich ist, da Rassen nicht genetisch voneinander isoliert wie Arten sind, sondern untereinander kreuzbar. 1939 hat sich nach "HUXLEY" eingebürgert von einer eigenen Unterart zu sprechen, wenn 75% der Tiere (oder Völker) dieser bestimmten Merkmalskombination entsprechen.


    Eine bestimmte Merkmalskombination ist jedoch nur "ein" Kennzeichen einer Rasse. Ein ebenso wichtiges zweites Kennzeichen ist eine bestimmte geographische Verbreitung.


    Zusammenfassend kann man eine geographische Rasse als Gruppe von Populationen derselben Art mit ähnlichen Merkmalen, die meist in einem größeren Siedlungsgebiet (Areal) lebt, beschreiben. (Die Abgrenzung der benachbarten Rassen, soll mit 75%-iger Sicherheit möglich sein.)


    Als dritter Faktor für die Kennzeichnung einer geographischen Rasse, wird die "ökologische Anpassung" genannt. Dieser dritte Faktor wird durch die geographische Lage bestimmt. Bei Unterarten mit größerem Verbreitungsareal, entwickeln sich innerhalb desselben Rassengebietes verschiedene Anpassungstypen. Diese nennt Ruttner Ökotypen oder auch lokale Populationen.


    Ruttner merkt zu diesem Thema sehr passend Folgendes an: Auf Ebene der lokalen Populationen (Ökotypen) ist die Grenze der Auflösungs- und Unterscheidungsmöglichkeit durch Messung der Körpermerkmale erreicht. Man erkennt in den Analysen nach den bisherigen Methoden zwar gewisse Tendenzen, kommt aber zu keiner klaren Trennung. Auf dieser Ebene sind Verhaltensunterschiede viel wichtiger.


    Benannt werden geographische Rassen mit einem dritten Namen, der dem Artnamen angefügt wird: Apis mellifera mellifera. Möchte man lokale Populationen eigens hervorheben, so fügt man am besten eine Ortsbezeichnung hinzu, z.B. Apis mellifera mellifera, Norwegische Population.


    Ich hoffe diese kurze Ableitung hilft ein wenig die Fragen nach den Ökotypen der AMM zu klären und unterstützt ein wenig bei der Definition der Begrifflichkeiten.


    Besten Gruß, Ole!


    Quelle: Friedrich Ruttner - "Naturgeschichte der Honigbienen" /// Besonderer Dank an Andreas Ratz

  • Hallo zusammen,


    kurzer Nachtrag zu den Ökotypen in Deutschland. Ruttner vermutete auf Grund der Aussagen von J. Louveaux Bures-sur-Yvette, dass sich in Frankreich eine Art Genzentrum der AMM befand, von dem aus sich die AMM ausgebreitet hat. Im Süden Frankreichs konnte sich während der letzten Vereisung (Würm-Eiszeit) in getrennten wärmeren Kleinarealen eine Vielfalt von Ökotypen bis zum Einsetzen der allgemeinen Erwärmung erhalten. Bei der Wanderung in die neu zu besiedelnde Gebiete trat aber nur ein einziger Ökotyp auf, wie es auch von anderen Migrationen bekannt ist.


    In dem Buch von Ruttner wird auf Seite 64 unter der Überschrift "Geographische Variabilität innerhalb von A.m. mellifera" genau auf die vier von Thomas genannten Ökotypen (AMM, A.m. lehzeni, A.m. Nigra und A.m. Silvarum) eingegangen. Es wird allerdings betont, dass es sich hierbei um regionale Namensgebungen handelt und sich im Laufe der Zeit herrausgestellt hat, dass es sich wirklich um ein und die selbe Biene bzw. den selben Ökotyp handelt. Die Tabelle 2.4 in dem Buch zeigt deutlich die taxonomische Gleichheit dieser Ökotypen.


    Damit ist für mich die Frage nach den Ökotypen letztendlich geklärt. Es gibt bei Bienenrassen wirklich taxonomisch zu unterscheidende Unterrassen bzw. Ökotypen. Es hat allerdings was Europa angeht, diese nur in Frankreich gegeben und es sind auch noch Population dort vorhanden. In Deutschland gab und gibt es keine taxonomisch zu unterscheidenden Ökotypen.


    Besten Gruß, Ole!

  • Hallo zusammen,


    noch ein weiterer Nachtrag um das Thema Ökotypen langsam abschließen zu können. Bei den Diskusionen über die Ökotypen sind viele Begriffe in den Umlauf geraten. Ich möchte noch einmal auf vier Begriffsgruppen besonders eingehen, da diese Begriffe historisch entstanden sind und nichts mit der Entwicklung der AMM zu tun haben:


    Auf Grund der großen Klimatischen Unterschiede zwischen den Ländern des Verbreitungsgebietes - England, Frankreich, Alpen, Skandinavien, Rußland - wären bei den den Bienen taxonomisch belegbare Merkmalunterschiede zu erwarten gewesen. In den einzelnen Gebieten des riesigen Verbreitungsareals der Dunklen Biene wurden verschiedene Namen benutzt. Es stellte sich im laufe der Zeit immer herraus, dass es sich wirklich um ein und die selbe Biene bzw. den selben Ökotyp handelt. Hierbei haben sich im Verlauf des historischen Sprachgebrauchs vier Begriffe etabliert, die immer wieder auftauchen, jedoch belegt keinen wissenschaftlichen Zusammenhang haben. Die Quellen sind stimmig, haben jedoch nur historischen und keinen wissenschaftlichen Wert:


    1. Im Westen sind die Namen "Braune" oder "Dunkle Deutsche Biene", "Englische Biene", "Französische Biene" oder "Holländische Biene" verbreitet. Diese Namen haben sich allerdings auf Grund der Ländergrenzen historisch entwickelt.


    2. Die Heidebiene A.m. lehzeni wurde oft in der Imkerliteratur beschrieben. Es handelt sich allerdings um keine eigene Bienenrasse oder einen besonderen Ökotyp, sondern lediglich um eine Zuchtbiene. Diese wurde von folgenden Personen erwähnt:


    1862 G. Kleine
    1889 Pollmann
    1906 Von Buttel-Reepen
    1964 Götze


    3. Die Waldbiene Zentralrusslands A.m. silvarum ist im Werk aus 1929 von Alpatov zu finden, entspricht aber taxonomisch zu 100% der A.m. mellifera.


    4. Der Stamm Nigra, ein aus der Schweizer Landbiene herrausgezüchteter besonders dunkler Typ, der von Prof. Zander derzeit auch in Deutschland viel gezüchtet wird. Im Flügelgeäder und der Behaarung entspricht er aber mehr dem Typ A.m. mellifera.


    ---


    In diesem Zusammenhang wurden Untersuchungen angestellt: Es wurden 47 Proben zu 15-20 Bienen (34 Merkmale pro Biene) einer Faktorenanalyse unterzogen.In der aus dieser Analyse gewonnenen Grafik geht hervor, dass es innerhalb der Untersuchten Gebiete keine Gruppierungen gibt. Die Überlappungen sind sogar so ausgedehnt, dass von einem geographischen Verteilungsmuster nicht gesprochen werden kann. Dieses Bild lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass es im Zuge der nacheiszeitlichen Ausbreitung der Dunklen Biene über das ganze nördliche Europa zu keiner Ausbildung von Unterschiedlichen Untergruppen gekommen und dieses riesiege Gebiet heute von einer relativ einheitlichen heimischen Biene besiedelt ist.


    Quelle: Friedrich Ruttner: Naturgeschichte der Honigbienen

  • Zitat von Ole86

    2. Die Heidebiene A.m. lehzeni wurde oft in der Imkerliteratur beschrieben. Es handelt sich allerdings um keine eigene Bienenrasse oder einen besonderen Ökotyp, sondern lediglich um eine Zuchtbiene. Diese wurde von folgenden Personen erwähnt:


    1862 G. Kleine
    1889 Pollmann
    1906 Von Buttel-Reepen
    1964 Götze


    Bitte um genaue Quellenangaben zur herangezogen Literatur.
    (Titel,Erscheinugsjahr und Ort, Seite und Absatz bzw. Zeile)


    Wolfgang, der Heidjer


    Zitat von Ole86


    ---


    In diesem Zusammenhang wurden Untersuchungen angestellt: Es wurden 47 Proben zu 15-20 Bienen (34 Merkmale pro Biene) einer Faktoranalyse unterzogen.In der aus dieser Analyse gewonnenen Grafik geht hervor, dass es innerhalb der Untersuchten Gebiete keine Gruppierungen gibt. Die Überlappungen sind sogar so ausgedehnt, dass von einem geographischen Verteilungsmuster nicht gesprochen werden kann. Dieses Bild lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass es im Zuge der nacheiszeitlichen Ausbreitung der Dunklen Biene über das ganze nördliche Europa zu keiner Ausbildung von Unterschiedlichen Untergruppen gekommen und dieses riesige Gebiet heute von einer relativ einheitlichen heimischen Biene besiedelt ist.


    Quelle: Friedrich Ruttner: Naturgeschichte der Honigbienen

  • Zitat von Heidjer

    Bitte um genaue Quellenangaben zur herangezogen Literatur.
    (Titel,Erscheinugsjahr und Ort, Seite und Absatz bzw. Zeile)


    Wolfgang, der Heidjer


    Hallo Wolfgang,


    ich beziehe mich mit den Aussagen auf folgendes Buch: Friedrich Ruttner: Naturgeschichte der Honigbienen - ISBN 3-440-09477-4 /// (2003)


    Aus diesem Buch stammen auch die angegebenen literarischen Querverweise. In Kapitel 2 auf Seite 64 und 65, ist der betreffende Text unter der Überschrift "Geographische Variabilität innerhalb von A.m. mellifera" zu finden.


    Hier wird in Stichpunkt "2." die Heidebiene aus historischer Sicht betrachtet. Außerdem wird auf Seite 64 betont, dass es sich bei den vier genannten Begriffen um die selbe Bienenrasse handelt. Desweiteren wird auf das Verfahren der Faktorenanalyse eingegangen, mit der Proben dieser vier angeblichen Bienenrassen verglichen wurden. Auf Seite 65 ist dann auch die Tabelle 2.4 zu finden, die das Ergebnis belegt.


    Ich hoffe das hilft Dir weiter, würde mich freuen wenn jemand die Quellen auch noch einmal gegenliest. Besten Gruß, Ole!

  • Hallo Wolfgang,


    direkt im ersten Absatz unter der Überschrift wird beschrieben, dass es sich (ich zitiere wörtlich):


    Zitat

    wirklich um ein und dieselbe Biene handelt:


    Der Doppelpunkt weist auf die folgenden angeblichen Unterrassen hin, dessen Namen allerdings wie der Text verrät, sich nur historisch im Sprachgebrauch etabliert haben und nicht als echte taxonomisch zu unterscheidende Unterrasen anzusehen sind. Unter Punkt 2 ist auch die Heidebiene erwähnt.


    Besten Gruß, Ole!

  • Zitat von Ole86


    ...
    In dem Buch von Ruttner wird auf Seite 64 unter der Überschrift "Geographische Variabilität innerhalb von A.m. mellifera" genau auf die vier von Thomas genannten Ökotypen (AMM, A.m. lehzeni, A.m. Nigra und A.m. Silvarum) eingegangen. Es wird allerdings betont, dass es sich hierbei um regionale Namensgebungen handelt und sich im Laufe der Zeit herrausgestellt hat, dass es sich wirklich um ein und die selbe Biene bzw. den selben Ökotyp handelt. ....


    Hallo Ole,


    danke für die Ausarbeitung bzw. Auskommentierung von Ruttner. Toll.


    Den wichtigsten Satz möchte ich eigentlich noch einmal wiederholen, er kann gar nicht oft genug wiederholt werden:


    Bei allen Bezeichnungen wie Lehzenii, Nigra, Silvarum etc. handelt es sich lediglich um regionale Namensgebungen für ein und dieselbe Biene bzw. den selben "Ökotyp"!


    Danke.
    LG
    Kai