Bienendiversität

  • Liebe Imkerfreunde,


    da wir Mellifera-Freunde ja ein besonderes Anliegen des Schutzes unserer heimischen Biene haben und als offene Menschen auch gern mal über den Tellerrand schauen, möchte ich mal ein Thema zur Diskussion stellen, das uns alle interessiert:



    Bienendiversität bedeutet abgeleitet von "Biodiversität" den "Erhalt der natürlichen Bienenpopulationen in ihrem jeweiligen Gebiet". Dieser Gedanke steht im Widerspruch z. B. zu den alten Carnicazüchtern, die einen ganzen Kontinent (im Erbe der Nazi-Diktatur) zur "Carnica-Reinzucht-Zone" machen wollten, oder mancher Buckfastimker, die glauben, wir bräuchten weltweit eine einheitliche (Misch-)Biene.


    Nein! Mit Bienendiversität ist gemeint, jede ortsansässige Population dort zu erhalten, wo es sie noch gibt! Dies gilt für die Carnica in Kärnten, die Ligustica in Italien, die Anatolica in der Türkei, die Kapbiene in Kapstadt und natürlich die Dunkle Biene in Polen, um nur einige zu nennen.


    Hintergrund: es leben auf der Welt (derzeit) 25 Unterarten der Honigbiene, viele lokale Populationen wurden bereits ausgerottet (z. B. die südfranzösische Heidebiene der Corbieres) oder stehen vor der Vernichtung (z. B. die Biene von Malta). Einmal ausgerottet lässt sich keine Population mehr "wiederholen".


    Aufklärungsarbeit ist notwendig, und auch professionelle Unterstützung. Dankbar bin ich Herrn Dr. Ralph Büchler (Bieneninstitut Kirchhain) von der Organisation Eurbee, und Herrn Dr. Werner von der Ohe vom Laves Bieneninstitut Celle, die sich auf diesem Gebiet sehr engagieren.


    Es scheint, dass sich international etwas tut.
    LG
    Kai

  • Hallo Kai,


    du sprichst mir aus der Seele! Ich werde alles mir mögliche tun und mithelfen, diese Idee weiterzuverbreiten.


    Die Broschüre von Wolfgang Golz "Auf dem Weg zu einer neuen Landrasse" hat mir die Augen geöffnet. In ihr wird dieselbe Idee vertreten wie du oben schreibst.


    Jeder Imker sollte, wenn er denn etwas für den Bien tun möchte, für den Erhalt und Verbesserung* seiner lokalen Biene etwas tun. Dabei sollten wir dem Biene mehr Vertrauen entgegenbringen: statt zu züchten und ihm unsere "kapitalistisch-technischen Ideale" (Hochleistungsbiene, Reinzucht, künstliche Besamung) aufzuzwingen, sollten wir nur eine moderate, vorsichtige Ausmerzung der Stecher und Krankheitsanfälligen betreiben, und nicht ausschließlich von dem einen besten Volk, das man hat, nachziehen. Auch das ergibt Inzucht und genetische Verarmung. Auch das zweit-, dritt-, viert- und fünfttbeste ... Volk hat Eigenschaften, die erhaltenswert sind. Daraus ergibt sich die Maxima: auf breiter Basis vermehren; nur die negativen Extreme wegselektieren. (Stecher kann auch ich im Garten nicht brauchen).


    Dann kann jede Rasse und jede lokale Unterart ihre Grenzen selber abstecken. Soll die Carnica selbst herausfinden, wie weit sie in den Norden siedeln kann! Ohne Unterstützung der Imker hätten wir hier in D innerhalb weniger Jahrzehnte wieder die Nordbiene zurück. Sie ist hier einfach die Stärkste und Gesündeste! Dem wird kein Imker widersprechen - oder er bekommt meinen Widerspruch zu lesen.


    * Wer nicht züchtet, schadet dem Bien nicht und hilft ihm, sich selbst zu züchten (natürliche Evolution). Wer züchtet, steht immer in Gefahr, etwas falsch zu machen. Er sollte vorsichtig zu Werke gehen und nur wenig eingreifen. Ich züchte nur auf Friedlichkeit. Den Rest besorgt der Winter.


    joachim


  • Sie "Böser",
    schleppen Sie nicht gelegentlich diese "unartige" Pommernbiene ein, welche Sie wohl auch noch "Verinzuchten"? Wenn Sie dafür nicht noch den Widerspruch eines Fachmannes böse zu spüren bekommen.


    Besten Gruß,
    Bernd :oops:

  • Wolfgang Golz schrieb in dieser Broschüre, dass die Einkreuzung der Nordbiene kein Verstoß gegen seine Idee der Wiedergewinnung der Landbiene sei, da sie es ja war, die hier mal heimisch, also am besten angepasst, war. Alle anderen Einkreuzungen lehnte er ab - bis auf die Karpatenbiene, die er auch für eine Biene hielt, die an unser atlantisches Klima angepasst sei.


    Wenn ich Golz richtig verstanden habe, hielt er die Nordbiene für die einzig "wahre" Landbiene Deutschlands. Aber er musste das Faktum akzeptieren, dass es diese Biene so nicht mehr gab, und dass wir hier Carnicagebiet geworden sind. Aus diesem Grund akzeptierte er als Kompromiss die Einkreuzung wenigstens der Nordbiene zur Beschleunigung der Herausbildung der neuen Landbiene, obwohl er ansonsten strikt gegen jedes Kreuzen war.

  • Danke für die Rückmeldung. Ich gebe hier mal als Zitat die Äußerungen von Herrn Dr. Büchler wider:


    DRINGENDER AUFRUF ZUM SCHUTZ DER BIOLOGISCHEN VIELFALT EUROPÄISCHER HONIGBIENEN


    Erklärung der Eurbee Expertengruppe für Bienenzucht und –genetik anlässlich ihrer vierten Jahrestagung am 2.-4. Februar 2008 in Ankara, Türkei


    Im Hinblick auf die aufgetretenen und weiterhin zu befürchtenden weltweiten Verluste an Bienenvölkern sehen wir uns gezwungen, zu einem verstärkten Schutz der biologischen Vielfalt von Bienen aufzurufen. In den Beiträgen von Zucht- und Genetikexperten aus 15 verschiedenen Ländern wurde das bedrohliche Ausmaß der Verluste von Völkern bis hin zu ganzen Populationen deutlich. Als Faktoren, die den natürlichen “Schatz“ an europäischer Bienen Biodiversität bedrohen, umfassen die unkontrollierte Einkreuzung anderer Rassen in einheimische, lokal angepasste Populationen, Umweltbelastungen, neue Krankheitserreger und klimatische Veränderungen.


    Um auf diese Herausforderungen reagieren zu können, kommt dem Erhalt einer möglichst großen Biodiversität besondere Bedeutung zu. Deshalb müssen, in voller Übereinstimmung mit der Rio Konvention zum Schutz biologischer Vielfalt, die natürlichen Bienenrassen und ihre Ökotypen als genetische Reserven für zukünftige Anforderungen geschützt werden. Unzureichende Schutzkonzepte führen zu Bienenverlusten mit entsprechenden Konsequenzen für die Bestäubung von Wildpflanzen und landwirtschaftlichen Kulturen. Dadurch droht eine generelle Reduktion der Biodiversität und landwirtschaftlichen Produktivität, sind doch etwa 1/3 aller Nahrungsmittelpflanzen von der Bienenbestäubung abhängig! Die Aktivitäten zum Erhalt der Biodiversität europäischer Honigbienen müssen Anpassungen an veränderte Umwelt- und Klimabedingungen, eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen neue Krankheitserreger und die Weiterentwicklung neuer Selektionsstrategien umfassen.


    gez: Dr. Ralph Büchler, Vorsitzender der Eurbee Zuchtgruppe
    LLH Bieneninstitut Kirchhain
    Email: buechlerr@llh.hessen.de



    Weitere Infos auf http://www.eurbee.org/


    LG
    Kai

  • Hallo!
    Wenn ich das alles so lese, stelle ich mir die Frage, was den guten Karl Kehrle beflügelte ......?
    (Das steht nun nicht im Widerspruch zu meiner Aussage gegenüber Hobbyimker, denn ich halte K. für einen sehr großen Fachmann!)


    Gruß
    Bernd

  • Karl Kehrle (= Bruder Adam) hat sicherlich die Abhängigkeit der Biene von den klimatischen Bedingungen der Natur zu gering geachtet. Größe der Wintertraube (und davon abhängiger Futterverbrauch), Datum des Brutbeginns, Größe der Brutfelder, Flugradius, Rüssellänge - und viele, viele andere "Parameter" des Biens sind genetisch angelegt, und diese Anlagen sind Anpassungen an ein vieljähriges Mittel des regionalen Klimas. All diese Anpassungen gehen bei Kreuzungszucht verloren, was wiederum Ursache von Krankheiten sein kann.


    Eingeführte fremde Rassen, so schreibt Wolfgang Golz, können einige Jahre lang - und besonders unter der Obhut des Imkers - erfolgreicher sein, als eine lokale Landrasse - aber auf lange Sicht sei sie unzuverlassiger. Golz hat sich aus diesem Grund von der Buckfastbiene nach zehnjähriger Haltung wieder verabschiedet.


    Kehrle wurde seine Entscheidung, eine neue Biene zu züchten, leicht gemacht, da die ehemals dort heimische Biene vermutlich schon starke genetische Schäden durch unkontrollierte Kreuzungszucht aufwies und es riesige Massensterben gab. Diese Schäden konnte er durch systematische Zucht ausmerzen.


    Golz schrieb, dass die unkontrolllierte Kreuzungszucht (jeder Imker führte ein, was ihm beliebte - es war eine MODE) mit dem Siegeszug der Eisenbahn einsetzte. Mit einemmal wurde es möglich, sich Bienen aus aller Welt schicken zu lassen und in die eigenen Bestände einzukreuzen. Leider wurde damit die heimische Biene, die Nordbiene in ihren lokalen Ausprägungen, kaputtgemacht.

    Derzeit geschieht Ähnliches mit der Carnica. Ich fürchte, die Buckfastimker und die Carnicaimker kommen sich nun fürchterlich ins Gehege, besonders wenn diese Fraktionen ach so tolerant den jeweils anderen gegenüber sind, - und zerstören sich gegenseiktig ihre Reinzuchtziele. Dann haben wir weder die Bucki, noch die Carnica.


    Bruder Adam war ein begnadeter Züchter, aber das Züchten bekommt der Biene nicht unbedingt. Besser ist eine vorsichtige Aussortierung der Stecher und der Kranken - bei einer neuen Landrasse (die alte ist ja kaputt).


    joachim

  • Es ist klar, daß die Bildung von Rassen auf die Anpassung an ein regionales Klima, eine regionale Vegetation usw. usf. zurückgeht - das ist nicht nur bei Bienen so. Aber es ist eben auch wahr, daß bei intensiver imkerlicher Betreuung (Wärmedämmung der Kästen, Fütterung, Behandlung von Krankheiten usw.) die entsprechenden genetischen Anpassungen für Gedeihen und Ertrag nicht mehr viel austragen. Auch das gilt nicht nur für Bienen. Eine andere Frage ist, ob ich mir als Imker Bienen wünsche, die auch wild in meiner Region leben könnten.
    Abgesehen davon ist so eine Population der dunklen Bienen wie in Nordschweden ein seltener Glücksfall, auch wenn sie dort wild nicht leben könnten. Denn nur so kann es eine Reinzucht ohne instrumentelle Besamung geben. Dafür können wir dankbar sein. Ohne solche Inseln würde das Erbgut unserer alten Bienenrasse ganz schnell in einem großen Mischmasch verschwinden. Schöne Grüße!

  • Zitat von kleffmann

    Es ist klar, daß die Bildung von Rassen auf die Anpassung an ein regionales Klima, eine regionale Vegetation usw. usf. zurückgeht - das ist nicht nur bei Bienen so. Aber es ist eben auch wahr, daß bei intensiver imkerlicher Betreuung (Wärmedämmung der Kästen, Fütterung, Behandlung von Krankheiten usw.) die entsprechenden genetischen Anpassungen für Gedeihen und Ertrag nicht mehr viel austragen. Auch das gilt nicht nur für Bienen. Eine andere Frage ist, ob ich mir als Imker Bienen wünsche, die auch wild in meiner Region leben könnten.
    Abgesehen davon ist so eine Population der dunklen Bienen wie in Nordschweden ein seltener Glücksfall, auch wenn sie dort wild nicht leben könnten. Denn nur so kann es eine Reinzucht ohne instrumentelle Besamung geben. Dafür können wir dankbar sein. Ohne solche Inseln würde das Erbgut unserer alten Bienenrasse ganz schnell in einem großen Mischmasch verschwinden. Schöne Grüße!


    Lieber Tom,
    danke für Deinen Beitrag.
    Ich möchte zu den sogenannten "nichtangepassten Rassen", in meinem Falle die Ligustica (dass ich Elgon teste hat mit Varroa zu tun), bemerken, daß ich diese Rasse seit vielen Jahren, zuerst in Baden-Württemberg und seit nunmehr sechs Jahren in Niedersachsen, pflege. Diese Biene hatte/hat weder mit dem recht milden Klima des Mittleren Neckarraumes noch mit dem feuchtkühlen Klima der Norddeutschen Tiefebene Probleme. Auch nicht in Holzbeuten mit 18 mm Wanddicke! Und mit Trachtproblemen zu kommen ist geradezu lächerlich. Wenn ich in früherer Zeit gelegentlich ein Nordisches Volk im Mittleren Neckarraum auf meiner Streuobstwiese stationierte, beflogen die Nordländer sämtliche Obstarten incl. Raps und Sonnenblumen genau so intensiv, wie die Carnica meines Imkernachbarn oder meine eigenen Ligustica, obwohl sie niemals zuvor eine solche Tracht beflogen (in Lappland gibt es weder Obstbäume noch Raps oder Sonnenblumen). Die Bienen werden eben von anderen Dingen geleitet, als manch unwissender Imker dies vermutet! Bei der L. hatte ich noch nie Völkerverluste (bis auf jene, die geklaut wurden), auch hatte ich bislang niemals Probleme hinsichtlich der Varroa, obwohl ich sehr zaghaft behandle. Ich habe Erfahrung mit dieser Rasse und es ist traurig, wenn Leute ohne jedwede Erfahrung hier Dinge von sich geben, wie geschehen! Weshalb ich als Verfechter der Nordischen Biene hier in D die Ligustica pflege liegt alleine darin begründet, daß ich während meiner relativ kurzen Anwesenheit in D auch Bienen um mich haben möchte. Und da "funktioniert" eben nur die Ligustica, weil es bei dieser Rasse so gut wie keine Schwarmverluste gibt! Im letzten Jahr hatte ich bei 7 Völkern zwei Schwärme - beide von einem Volk! Der erste Schwarm wurde von einem befreundeten Imker eingefangen, welcher ihn einem Anfänger gab, der zweite war eben weg. Sowohl der Jungimker als auch der erfahrene Kollege "schwärmten" geradezu hinsichtlich der Sanftmut des Schwarmes und auch im Blick auf seine tadellose Entwicklung zu einem Vollvolk in kurzer Zeit!
    Ich hoffe, mit diesem Beitrag mein Handeln etwas erhellt zu haben.


    Grüsse,
    Bernd

  • Liebe Imkerkollegen!
    Laut Aussage unserer Bienenwissenschaftler ist die dunkle Biene, die a.m.m.m, sowie die a.m.m.l (Heidebiene) in der Bundesrepublik Deutschland doch schon total ausgekreuzt. Wenn man nun ehrlich ist, erkennt man das es sich bei unseren Bienenpopulationen hier lediglich noch um Carnica und die Hybridbiene Buckfast handelt, die hier eingebürgert wurden. Jeder Zuchtversuch mit einer dunklen Biene verlüft hier im Sandem, wenn wir nicht in der Lage sein werden, mit einer reimportierten dunklen Biene, eine carnica und buckfastdrohnenfreie Landbelegstelle oder im Glücksfall eine Inselbelegstelle, zur Zucht reiner Drohnen aufzubauen. Wir sollten schon, wenn wir die dunkle Biene, über eine win - win Situation, Erhalt durch Nutzung bei der Blütenbestäubung erhalten wollen, Reinzucht mit reimportierten nordischen Reinzuchtköniginnen betreiben. Ich habe von Kai 2 Dunkle, nordischer Abstammung bekommen und werde sie dieses Jahr sehr genau unter die Lupe nehmen, um deren Qualität feststellen zu können.
    Ich habe jahrelang Urzuchtköniginnen aus Kärnten bekommen, diese auf meinen Ständen nachgezogen. Ich war allerdings nicht immer mit diesen Königinnen zufrieden. Ich werde aber die Dunklen nicht vorrangig für die Honigproduktion nehmen, sondern für die Blütenbestäubung im Vermehrungsbau für Saatgut und der Obstblütenbestäubung. Die bei mir entstehenden, allerdings Carnicabeieinflussten Nachzuchten, werde ich sehr genau unter die Lupe nehmen und auch weiterziehen, um einschätzen zu können, ob diese Nachzuchten sich für die Honigproduktio genauso eignen wie für die Bestäuberei. Ich werde im herbst darüber berichten. Im übrigen bin ich dafür das jeder Imker bei seiner Biene bleibt, die hier zu der Flora und Fauna auch passt, meistens durch langfristig gebietsbezogene Zucht. hama

  • Ich glaube, damit sind Königinnen gemeint, die in direkter Linie auf ein bestimmtes Zuchtvolk eines "Urzüchters" zurück geht, z.B. auf Peschetz, Wrisnig oder Sklenar. Viele Carnicaanbieter machen mit der Bezeichnung "Urzuchtvolk" oder "Urzuchtkönigin" noch heute Werbung.


    LG
    Kai